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2. ICE SWIM WM 2017

und 3. ICE SWIMMING AQUA SPHERE GERMAN OPEN
und 3. ICE SWIMMING AQUA SPHERE GERMAN OPEN

Mit Schneeketten zum „Strand“

Im September begann meine Vorbereitung auf das Eiswasserschwimmen. Ich hatte davon gehört und dachte, dass musst du auch mal probieren. Durch meine vielen Freiwasserwettkämpfe wusste ich, dass ich nicht so schnell friere. Aber bei 16, 17 oder 18 Grad zu schwimmen, ist etwas ganz anderes, als sich dem Element Eiswasser zu nähern. Klar war mir von Anfang an, dass ich das nicht allein machen kann. Zum Glück habe ich bei einem Gespräch unter der Dusche in der SSE noch jemanden gefunden, der sich auch auf dieses Abenteuer einlassen wollte.

Also gemeinsam wollten Peggy vom Schwimmverein Aqua und ich es versuchen. Doch wie bereitet man sich vor??? Also aus dem Gefühl heraus sagten wir uns, es gibt kein Saisonende, wir gehen weiter im Freien schwimmen. Im September schwammen wir fast täglich im „Kauler“. Über jedes Grad weniger, was wir geschafft hatten, beginnend bei 17 Grad, freuten wir uns, und bis 12 Grad Wassertemperatur hatten wir auch keine Schwierigkeiten, ca. 1.500m zu schwimmen. Nach dem Schwimmen gab es immer warmen Tee, und wir zogen uns schnell warm an – ich gebe zu, bis Ende November bestand mein Warmanziehen nach dem Schwimmen darin, den nassen Badeanzug auszuziehen, dann Unterwäsche, Pullover und Wärmemantel drüber, an den Füßen Flipflops, und das genügte. Am 30. November kam dann ein neues Phänomen, das Wasser näherte sich der 10 Grad-Grenze, und nach dem Schwimmen auf dem Weg zum Auto soll ich nach Zeugenaussagen total schwankend zu meinem Auto getorkelt sein. Ich weiß, dass ich überhaupt nicht gerade laufen konnte und meine Bewegungen total unkoordiniert waren. Ein deutlicher Hinweis: Ich war zu lange im kalten Wasser, und mein Körper hatte Wichtigeres zu tun, als mich geradeaus laufen zu lassen. Ich musste mich warmzittern.

Ab diesem Zeitpunkt war klar, die Trainingseinheiten müssen kürzer werden, und die meiste Zeit mussten wir ab diesem Zeitpunkt dem Warmwerden widmen. Leider wurde Peggy dann krank, und ich musste längere Zeit allein schwimmen. Aber ich war nie allein am See, hatte immer einen „Aufpasser“ dabei, der zur Not den Rettungsdienst anrufen konnte. Danke an dieser Stelle an Peggy, Bodo, Diana - ohne sie wäre die Vorbereitung nicht möglich gewesen. Im Dezember dann die Weihnachtszeit. Es war klar, den von uns eingeführten Rhythmus von 3 x Training Montag, Mittwoch, Freitag und dann 2 Tage Pause in der Woche konnten wir nicht einhalten. Peggy versuchte immer mal wieder trotz Krankheit ins Wasser zu gehen, aber irgendwann kamen dann 2 Wochen absolutes „Badeverbot“. Meine längste Pause in der Vorbereitung waren 5 Tage. Es war a….kalt, als ich wieder ins Wasser ging - gerade mal 4 Grad. Seit das Thermometer unter 5 Grad anzeigte, spürte man körperlich jedes Zehntel weniger. Aber es half nichts, nur noch 2 Wochen bis zu unserem großen Ziel: Den 3. German Open im Eisschwimmen in Burghausen.

Inzwischen machte uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Der See fror zu. Wie weiter? Zweimal konnten wir parallel vorn zum Ufer schwimmen, die Finger schleiften fast am Grund (einige kennen das vom Inselschwimmen oder Müggelseeschwimmen). Und Eis ist scharf. Da ich ja kaum gerade schwimmen konnte, kam ich ein paar Mal an das Eis, kleine Schnittwunden und blaue Flecken, die aber längst vergessen sind. Es ist auch sehr komisch, wenn man auf eigentlich freier Strecke mit einem Mal mit dem Kopf ans Eis stößt und gestoppt wird. Der kritische Blick auf die Badekappe im Anschluss ergab aber keine Löcher. Als der See dann ganz zugefroren war, nutzten wir die Möglichkeit, bei ProSport in Grünau in der Dahme zu trainieren. Da mussten wir vom Steg aus über eine Metallleiter ins Wasser, und das war bei den Temperaturen nicht so einfach – wir wollten ja nicht festkleben. Im Januar ist nicht viel los auf der Dahme, das Wasser ist klar, und wir konnten sogar den Grund sehen. Anschließend dann wieder warmzittern, und diesmal war es noch ein Stück weiter bis in die wärmende Wohnung. Aber wir haben durchgehalten, ich habe insgesamt 53 x von September bis Anfang Januar im „Kauler“, in der Dahme, im Rotter See bei Köln und im Wöhrsee trainiert.

Nun war es endlich soweit. Wir waren in Burghausen, dem Mekka der deutschen Eiswasserschwimmer, Austragungsort der 2. Weltmeisterschaften und der 3. German Open, an denen wir teilnehmen wollten, und jetzt kann ich es ja auch schreiben, an denen wir - Peggy und ich - teilgenommen haben. Es war ein tolles Erlebnis, super Organisation, wunderschöne Anlage, tolle Schwimmer, begeistertes Publikum, wärmende Atmosphäre. Ich war schon bei vielen Wettkämpfen, aber das war nochmal etwas Besonderes.

Die Wettkämpfe waren super organisiert. Mein erster Start waren die 1.000m. Hier waren wir nur wenige Teilnehmer, nämlich nur die, die nicht bei den Weltmeisterschaften starten durften. Dort darf man erst starten, wenn man schon einmal offiziell nachgewiesen hat, dass man in der Lage ist, 1.000m in unter 5 Grad warmen oder besser kaltem Wasser zu schwimmen. Der Wettkampf fand im kältesten Teil von Deutschland an diesem Wochenende statt, es sollen minus 15 Grad Luft und 2,9 Grad Wasser gewesen sein – ich denke, es war so kalt und somit Wasser- und Lufttemperaturen, wie wir sie nie zuvor bei der Vorbereitung gehabt haben. Es gab Zelte mit warmer Luft, in denen wir uns umgezogen haben. Von dort ging es ca. 200 m im Freien nur noch im Badeanzug, Socken, Schuhe und Wärmemantel zur Anmeldung ins warme Vorstartzelt und dann an den Start mit völlig neuen Kommandos: "Get off your clothes" - die wärmenden Klamotten wurden abgelegt. Wir gingen vor zu den Einstiegsleitern. "Go in the water" - wir kletterten die Leitern runter ins kalte Nass. "On your marks" - die Füße auf einer Sprosse, ein Arm hinten zum Festhalten an der Leiter, der andere vorn ausgestreckt, die Schulter im Wasser. "Beeeep". Los ging es, wichtig war für mich, ruhig zu schwimmen, nicht zu schnell angehen und schön lang bleiben. Wie immer bei einer langen Strecke im Becken habe ich meine Bahnen selbst gezählt, obwohl sie uns angezeigt wurden. Die Zuschauer feuerten uns die ganze Zeit an. An jeder Wende "go", los Elke du schaffst es, und wieder "go"- das habe ich noch nicht erlebt. Es wurde nach 500m deutlich schwerer. Die letzten Wochen war ich meist nur noch zwischen 500 und 700m geschwommen, und das Wasser war wärmer – aber aufgeben war keine Option. Immer wieder hörte ich in mich hinein, denkst du noch klar, spürst du Hände und Füße und draußen die Anfeuerungsrufe. Dann waren es noch 8 Bahnen, die Wenden waren schwer, immer wieder mal eine Begegnung mit der Leine, beim Wenden merkte ich die Eiskrusten, und die Bohlen an der Wende waren glatt. Aber ich wollte es schaffen und dann der ersehnte Pfiff - noch 2 Bahnen! Der Versuch, meine Beine zu aktivieren, scheiterte kläglich. Also bis zum Anschlag gleichmäßig schnell oder langsam - immer eine Frage der Betrachtung. Aus dem Wasser kam ich nicht ohne Hilfe, vor allem der Übergang von der eisglatten Leiter auf den Beckenrand gestaltete sich schwierig, aber sofort waren helfende Hände da. Mein Kampfrichter auf der Bahn und Peter Wichert, einer der Sprecher der Veranstaltung, halfen mir. Meine Schwester, die mich betreute (jeder 1.000m Schwimmer hat einen persönlichen Betreuer auf der Startbrücke), war noch ganz aus dem Häuschen. Bei mir dauerte es etwas länger bis die Freude „rauskam", ich musste ja schließlich noch auftauen, und das war der schlimmste Teil des Wettkampfes – warmzittern, es war furchtbar, ich habe noch nie so gezittert und gefroren wie nach diesem Wettkampf, aber auch das ging vorbei, Wärmezelt und anschließend in den hot tubs (ein großer Holzbottich mit angenehm warmen Wasser) und dann nach ca. einer Stunde warm anziehen, und es war geschafft. Wir gingen zurück ins Hotel. Zum Glück ging es viele Treppen zur Burg hinauf und die Burg entlang, das reichte, um wieder richtig warm zu werden. Im Hotel die Sachen für den Wettkampf am Nachmittag gepackt, und dann ging es schon wieder Richtung Badeanstalt zum Start über 100m Lagen. Bei Eisschwimmwettkämpfen mit mehreren Starts sollte man sich viel bewegen, denn ausgekühlt ins Wasser zu gehen, ist nicht ratsam. Ich dachte, "Die 100m - das geht schnell vorbei, richtig kalt wird mir auch nicht" - aber hier erlebte ich etwas ganz Neues. Ja, 100m sind kurz, aber der Körper hat keine Chance, sich an die Kälte zu gewöhnen. Als ich raus kam und ins Wärmezelt ging, hatte ich solche Schmerzen in den Fingerkuppen, als wären sie mir gerade abgehackt worden. Es ist unglaublich, welche Körperreaktionen man so freiwillig kennenlernt.

Der Abend klang dann mit einer wundervollen Abschlussveranstaltung aus. Hier traf sich die große Familie der Eiswasserschwimmer zur Siegerehrung und leckerem Essen. Überraschend belegte ich in der offenen Wertung über 1.000m den 3. Platz, und über 100m Lagen konnte ich in meiner Ak gewinnen. Ziemlich k.o. schlief ich nach einem erlebnisreichen Tag ein.

Am 2. Tag der German Open hatte ich noch für zwei Wettkämpfe gemeldet: 500m und 200m Freistil. Die Abläufe waren genauso gut wie am Vortag organisiert, aber jetzt schwamm ich mit weiteren Sportlerinnen aus meiner Ak in einem Lauf. Wie groß die Konkurrenz war, wusste ich nicht, schließlich war Eisschwimmen Neuland für mich. Das Wetter meinte es von der Außentemperatur her gut mit uns, nicht mehr solch arktische Kälte, dafür war das Wasser noch ein wenig kälter. Aber eigentlich störte es mich nicht. Auf der Woge der erfolgreich absolvierten 1.000m sollten die 500m nicht ganz so schwer sein. Im Vorstartzelt war eine super Stimmung. Els aus den Niederlanden motivierte uns entsprechend, und auch alle anderen waren gut drauf. Es lief gut, und mit meiner Zeit unter 10 Minuten war ich auch zufrieden. Ebenso am Nachmittag über die 200m. Diesmal blieben wir aber den ganzen Tag über am Wöhrsee, denn insgesamt wurden an diesem Tag 4 Strecken, nämlich noch 50m Freistil und 200m Brust geschwommen. Über 50m Freistil startete Peggy und konnte ihre Ak gewinnen. Damit war sie auch mit ihrem Trainingsausfall versöhnt.

Jeweils die 8 Zeitschnellsten, unabhängig von der Ak, durften abends das Finale schwimmen. Ich bin ehrlich, in ein Finale wollte ich nicht (wäre auch nicht passiert, aber…) Wir erlebten einige Schwimmerinnen und Schwimmer, die in alle 4 Finale kamen, und das ist wirklich hart, denn dazwischen lag nur wenig Zeit, und da wurde man wohl kaum warm. Die Wettkämpfe waren spannend, jeder wurde angefeuert, und es gab unvergessliche Erlebnisse.
Einen besonderen Moment schenkte am WM-Nachmittag Padraig Mallone der Veranstaltung. Er schwamm seinen WM-Lauf, stieg aus dem Wasser und bemerkte kurz darauf, dass ein Schwimmer seines Teams offenbar keinen so guten Tag und noch 8 Bahnen vor sich hatte und im Wasser kämpfte. Er stieg kurzerhand wieder ins Wasser und begleitete den Schwimmer auf der Nebenbahn. Dazu musste er wesentlich langsamer schwimmen als zuvor, was nach 1.000 Wettkampfmetern ziemlich hart ist. Er hat alle im Stadion begeistert und ins Herz geschlossen.

Wir haben oft unter uns diskutiert, wer die wahren Helden des Eisschwimmens sind, die, die super schnell sind und Weltrekorde schwimmen oder die, die sehr lange im eiskalten Wasser bleiben müssen, bis sie ihre 1.000m geschwommen sind. Ich glaube, alle sind Helden. Um im Eiswasser schnell zu schwimmen, muss man hart trainieren, und um lange im Eiswasser zu bleiben, um eine bestimmte Distanz zu schaffen, muss man auch hart trainieren.

Für mich war es eine neue Herausforderung, ein tolle Erfahrung, ich habe viele neue Menschen kennen und schätzen gelernt und neue Freunde gewonnen.

Keep frozen
Elke

offene Wertung - 1.000m weiblich 3.Platz: 19:46,11
Altersklassenwertung – 100m Lagen weiblich 1.Platz: 01:54,4
Altersklassenwertung – 500m Freistil weiblich 1.Platz: 09:27,0
Altersklassenwertung – 200m Freistil weiblich 1.Platz: 03:35,0